Früh am Morgen um 6:15 stehen wir auf und sind nicht glücklich, aus den halbwegs warmen Schlafsäcken in die Kälte und Dunkelheit zu müssen. Die Scheiben sind durch die Kälte komplett beschlagen, aber zum Glück müssen wir noch kein Eis von den Scheiben kratzen. Schnell alles runter von den Sitzen, hinten auf die Luftmatratzen und dann fahren wir 45 Minuten nach Tongariro zum „Base Camp“, von wo aus wir mit dem Bus zum Startpunkt des 19,4 km langen „Tongariro Crossing“ gefahren werden. Dort ist noch Zeit für ein kurzes Frühstück und dann ziehen wir uns kurze Hosen, Wander-/Sportschuhe, Pullis und Jacken an. Da es die Möglichkeit gibt, neben dem normalen Wanderweg, auch noch den „Mount Ngauruhoe“ zu besteigen und dort oben Schnee liegt, nehmen wir unsere dicken Jacken mit! Wir bekommen einen Zettel in die Hand gedrückt, auf der der Wanderweg beschrieben ist, sowie die Routen zur Besteigung des „Mount Ngauruhoe“ und „Mount Ruapehu“. Die Dauer der Wanderung wird mit 8 Stunden angegeben. Da wir jedoch „fit aussehen“, schaffen wir es bestimmt weitaus schneller. Je nach Timing, könnten wir uns dann aussuchen, ob wir „Mount Ngauruhoe“ besteigen möchten. Etwa um 8:30 werden wir unsere Wanderung beginnen und haben Zeit bis 17:30, wenn er letzte Bus die Wandernden zurück zum Base Camp fährt.

Dann geht es los. Wir werden mit einem weiteren Wanderer in einem kleinen Van zum Startpunkt gefahren. Dieser liegt etwa 1131 m über dem Meeresspiegel. Sebastian „trackt“ unseren Weg mit seinem iPhone über GPS. Das erste Stück des Weges ist sehr angenehm zu laufen und wir können gut Strecke machen, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 5 km/h.

Aus dem Kiesweg wird ein etwas steileres Stück, dass durch felsiges Gebiet führt, wodurch man auch mal über einige Steine klettern muss. Danach folgt ein langes Stück über einen Holzsteg. Wir überholen einige Wanderer und liegen gut in der Zeit.

Den ersten Checkpoint, an dem es Toiletten gibt, passieren wir ohne große Mühe, doch dann folgt ein steiles Stück, an dem man viele Höhenmeter über Treppen absolviert.

Unsere Beine sind schon jetzt nicht mehr so fit, wie am Anfang und so langsam wird die Atmung auch schon schneller. Wir machen ein paar kurze Pause und laufen dann weiter, um nicht zurückzufallen.

Hier kommt die Abzweigung zum Mount Ngauruhoe, den wir bereits von weiter Entfernung gesehen haben.

Bisher haben wir etwa 6 km der insgesamt 19,4 km hinter uns gelassen. Die Besteigung des Berges – der bereits als Kulisse zum „Der Herr der Ringe“ diente (Schicksalsberg in Mordor) – wird auf unserem kleinen Zettel mit 1 – 1,5 Stunden angegeben. „Wir schaffen es bestimmt in einer Stunde, oder sogar weniger!!“. Also ab nach oben!

Vor uns liegen 800 Höhenmeter! Schon nach den ersten 20 Minuten müssen wir eine kleine Verschnaufpause einlegen. Auf dem Geröll, mit dem der ganze Berg bedeckt ist, rutschen wir mit jedem Schritt etwas ab, was das Laufen sehr anstrengend macht. Dazu haben wir beide unsere Kameras in der Hand und Sebastian hat den Rucksack mit Essen und Trinken auf dem Rücken. Wir schleppen uns also Meter für Meter den Berg hoch und neben uns sehen wir einige Menschen, die den Berg hoch laufen, als wäre nichts gewesen. Bestimmt sind das langjährige Bergsteiger… Als uns jedoch auch einige ältere Leute überholen, werden wir nachdenklich. Auf etwa der Hälfte des Weges nach oben, wird es sehr steil. Auf dem losen Boden findet man kaum noch Halt und sucht kleine Felsen, die aus dem Boden ragen, um darauf Grip zu finden. Immer wieder müssen wir eine Pause einlegen, da es unglaublich anstrengend wird.

Eine Stunde ist schön längst vergangen und wir haben das schlimmste noch vor uns. Die Steigung nimmt mit jedem Meter zu und es ist bereits zu spät zum Umkehren. „Wir müssen da jetzt hoch!“; angeblich ist die Aussicht von oben so lohnend, dass sich die Qual doch auszahlen soll. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf geht es weiter die letzte 400 Höhenmeter nach oben. Über einen Kilometer haben wir bereits an horizontaler Entfernung zurückgelegt. Irgendwann kommen wir dann an die Schneegrenze, wo man ab und zu bis zu den Knien einsinkt.

Dann haben wir es endlich geschafft! Nach über 1,5 Stunden. Wir sind oberhalb der Wolkendecke, aber um uns ist zum Glück klarer Himmel. Jedoch bläst ein starker und kalter Wind! Jetzt wissen wir, warum wir die dicken Jacken dabei haben. Wir können von hier oben auf den „Mount Ruapehu“ herunter auf dessen blau strahlenden Kratersee. Die Aussicht auf 2280 m ist zwar ganz nett, aber ob sich das gelohnt hat? Nachdem ich eine Bergsteigergruppe mit NZ-Flagge fotografiert habe, haben sie uns die Flagge für ein stolzes Foto überlassen.
Auf dem Gipfel des Schicksalberges essen wir etwas und müssen dann nach ein paar weiteren Fotos schon wieder den Abstieg beginnen, da der Aufstieg unseren Zeitplan doch etwas durcheinander geworfen hat. Leider haben wir keinen Ring, den wir ins Feuer werfen können, wie Frodo im Film.

800 Höhenmeter in die Tiefe… Na toll. Schon beim Aufstieg, haben wir andere beim Abstieg beobachtet und wissen, wie es in etwa am besten geht. Nachdem wir wieder unterhalb der Schneegrenze sind, bewegen wir uns mit keinen Sprungschritten nach unten. Hier oben ist das Geröll viel grober und mit jedem Schritt rutscht man einen Meter in die Tiefe und löst kleine Steinlawinen aus. Weiter unten ist feinerer Kies, der die Schuhe auffüllt, wodurch der Abstieg nicht angenehmer wird. Wenigstens kommt man so mit jedem Schritt gut voran, muss aber mit höchster Vorsicht das Gleichgewicht halten, da wir schließlich noch die Kameras in Händen halten. Nach dem kraftraubenden Abstieg, sind wir überglücklich, als wir ebenen, festen Grund unter den Füßen haben. Schnell noch das Zusatzgewicht an Steinen und Erde aus den Schuhen leeren und dann müssen wir schnell weiter, um bis 17:30 am Parkplatz zu sein! Um uns herum ist kaum noch ein Mensch. Zu Beginn musste man sich zwischen den umgebenden Leuten schon fast durchdrängeln, doch die sind vermutlich schon lange fertig mit der Wanderung. Durch die Besteigung hat sich unsere Durchschnittsgeschwindigkeit auf 2,3 km/h verringert!

Das Gerade Stück, das wir nun auf einer Hochebene ablaufen ist eine wahre Wohltat gegen den Auf- und Abstieg. Wir fragen uns, wie es all die anderen Leute nur annäherungsweise so schnell auf den Berg geschafft haben. Wir sind ja nicht gerade unsportlich und wurden trotzdem von 40 und 50 Jährigen überholt!

Sebastian hat unseren Weg mit seinem iPhone getrackt.

Der Anstieg, der jetzt folgt und am „Mount Ruapehu“ entlang führt, ist eine wahre Qual. Die Muskeln in unseren Beinen brennen und Sebastian bekommt schon Krämpfe. Es bleibt jedoch keine Zeit für eine Pause, da noch weit über 10 km vor uns liegen! Ab der Hälfte des „Tongariro Crossing“ geht es zum Glück bergab durch relativ flaches Gebiet. Vom Berg hinunter sehen wir riesige Täler, in denen einst die Lava entlangfloss.

Drumherum sehen wir zwei große Schwefelseen, in denen blaues Wasser ist, umgeben von gelben Schwefelrändern. Der Geruch ist nicht so schön, aber gerade noch zu ertragen…

An einer Steigung treffen wir einen Wanderer, der ebenfalls völlig fertig ist. Er ist Amerikaner und wundert sich ebenfalls, wie die anderen Leute hier diesen Wanderweg so schnell absolvieren können. Auch er hat den Schicksalsberg erklommen und ist in der gleichen Situation, wie wir. Sein letzter Bus fährt jedoch bereits um 16:00. Wir gehen das folgende Stück bis zum vorletzten Checkpoint gemeinsam. Wir reden ein bisschen über unsere Reise und sagen ihm, dass wir in unserem Camper Van schlafen und zuvor in Taupo waren. Er fragt uns mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit, ob unser Van denn der bemalte und verkünstelte ist. Er hat ihn wohl zuvor in Taupo gesehen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er auf der Wanderroute zwei Backpacker in einem Van trifft und gerade diesen beiden der Van gehört, den er gesehen hat?? Ein unglaublicher Zufall…

Wir haben für jeden zwei 0,5 Liter Flaschen Wasser mitgenommen, die aber schon nach der Besteigung des Bergs fast leer waren. Hier am vorletzten Checkpoint können wir das Wasser auffüllen. Nun müssen wir nur noch 6,4 km bis zum Parkplatz laufen, wo hoffentlich der Bus auf uns wartet. Im Stechschritt geht es mit 7 km/h Richtung Ziel. Das erhöht unsere Durchschnittsgeschwindigkeit auf etwa über 3 km/h.

Das letzte Stück führt durch einen Wald, der ganz schön aussieht.

Als wir am Parkplatz um 17:00 ankommen, sind wir überglücklich, ziehen unsere Schuhe aus und legen uns auf das Gras. Der Abholservice kommt erst in einer halben Stunde, daher können wir uns jetzt etwas ausruhen und unsere vollgeschwitzten Sachen ausziehen.

Zurück am Base Camp lassen wir die Leiterin etwas auf unseren Van schreiben und fahren dann ins Taupo SPA Schwimmbad, um uns zu erholen. Für gerade einmal 6,70NZ$ Eintritt pro Person können wir hier in warmen Becken schwimmen, die auch in den Außenbereich führen. Außerdem gibt es dort eine Sauna und eine Dampfsauna! Für mich war es das erste Mal in einer Sauna… Sehr schön! Wir haben uns dort fast zwei Stunden entspannt, bis um 21:00 das Schwimmbad geschlossen hat.

Zurück an unserem Stammplatz neben dem Polizeirevier, können wir nun richtig gut einschlafen nach der Anstrengung. Schöne gute Nacht!